Die Förderung junger Menschen braucht Rückhalt auf allen Ebenen! Für eine verlässliche, partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe

Wir unterstützen die Forderungen der Kindervereinigung Sachsen e.V.

 

Die Förderung junger Menschen braucht Rückhalt auf allen Ebenen!

Für eine verlässliche, partnerschaftliche
Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe

Alle jungen Menschen haben ein Recht auf Förderung ihrer individuellen Entwicklung zu selbstbestimmten, eigenverantwortlich handelnden und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten. Die rechtliche Grundlage bildet das SGB VIII, welches die Leistungen und Aufgaben der öffentlichen und freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe zugunsten junger Menschen und Familien regelt. Für die erfolgreiche Umsetzung dieses Auftrages hebt §4 SGB VIII die partnerschaftliche und gegenseitig unterstützende Zusammenarbeit
der öffentlichen und freien Jugendhilfe hervor.

Diese Form der Zusammenarbeit basiert auf dem Verständnis die Vielfalt an Methoden, Inhalten und Arbeitsformen in der Kinder- und Jugendhilfe durch sinnvolle Aufteilung der Kompetenz- und Arbeitsbereiche zu schützen und zu stärken. Der öffentliche Träger wird entlastet, in dem er den überwiegenden Teil der Leistungsverpflichtungen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips an die freien Träger übergibt. Gleichzeitig erhalten die freien Träger durch die öffentliche Jugendhilfe fachliche und finanzielle Unterstützung, um die vielfältigen Angebote bedarfs- und fachgerecht umsetzen zu können.Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern stellt sich hingegen in vielen sächsischen Landkreisen, kreisfreien Städten und Kommunen anders dar. Die vertrauensvolle und von gegenseitiger fachlicher Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit ist einem deutlich spürbaren Misstrauensverhältnis gewichen. Träger sehen sich zunehmend in Rechtfertigungssituationen gedrängt, Trägergespräche finden nicht oder
fachlich nur unzureichend statt, echte Beteiligungsformate „auf Augenhöhe“ genießen einen hohen Seltenheitswert und getroffene Vereinbarungen zu Bedarfen und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Jugendhilfeplanungen, o.ä.) haben –
sofern überhaupt aktuell bzw. vorhanden – wenig Nachhaltigkeit.

Beispielhaft lassen sich die Vorkommnisse in der Stadt Chemnitz, Ende November 2022 anführen. Träger von 12 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erhielten durch den öffentlichen Träger per Mail eine Nachricht, in der sie zur unmittelbaren Abwicklung der
entsprechenden Projekte zum 01.01.2023 aufgefordert wurden. Dieses Vorgehen durch den öffentlichen Träger erfolgte im Alleingang und ohne rechtliche Grundlage (laufende Zuwendungsbescheide, nicht beschlossener Haushalt, Rücksprache und Beschluss im Jugendhilfeausschuss). Neben der bereits üblichen Praxis von Kürzungen sogenannter „freiwilliger Leistungen“, ist den freien Trägern vor allem eine Sache entscheidend vor Augen geführt worden: Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wie sie im §4 SGB VIII zum Wohle der Kinder, Jugendlichen und Familien gelebt werden soll, existiert nicht.

Das fehlende Vertrauen in die handelnden Personen des öffentlichen Trägers wirkt sich unmittelbar auf die Arbeitsfelder in der Kinder- und Jugendhilfe aus. Unsicherheiten der Träger, Abwanderungen von Fachkräften (in andere Arbeitsfelder oder Bundesländer) und fehlende fachlich-qualitative Gespräche zwischen freien und öffentlichen Trägern stehen der bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe im Wege.

Mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel, den Studien zu den Corona-Folgen für Kinder, Jugendliche und Familien sowie den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, fordern wir:


1. Fachliche Beratungen und echte Beteiligung von freien Trägern!
Fachliche Beratungen und Entscheidungen sind stets darauf auszurichten, wie freie und öffentliche Träger die in §1 SGB VIII formulierten Rechte umsetzen und einhalten können. Entsprechend §80 (4) SGB VIII ist es die Pflicht der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen ihrer Planung frühzeitig zu beteiligen. Der Austausch zwischen öffentlichem und freiem Träger ist von gegenseitiger Wertschätzung, Vertrauen in die handelnden Personen, echter Beteiligung und fachlicher Qualität geprägt. Beratungen und Beteiligungsprozesse erfolgen in regelmäßigen Abständen, bei angezeigtem Bedarf sowie vor dem Entwurf, der Ankündigung oder Entscheidung weitreichender Beschlüsse.

2. Umsetzung der verpflichtenden Jugendhilfeplanung!
Eine gelingende und nachhaltig wirksame Kinder- und Jugendförderung basiert auf einer Jugendhilfeplanung. Die Jugendhilfeplanung ist laut §80 SGB VIII eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Trägers. Anhand nachhaltiger, transparenter Bedarfsanalysen und Maßnahmenpläne bildet sie den Rahmen, um Angebote und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtend zur Verfügung zu stellen. Unter Mitwirkung und Beteiligung von freien Trägern ist diese in regelmäßigen Abständen auf Aktualität zu überprüfen. Zugleich
hat der öffentliche Träger dafür zu sorgen, dass innerhalb der Planung die finanzielle Absicherung des festgelegten, jugendhilfeplanerischen Bedarfs berücksichtigt wird (§79 SGB VIII, Finanzierungsverantwortung). Insofern beruht eine beschlossene Jugendhilfeplanung sowohl auf politischem Willen (Jugendhilfeausschuss, Stadtrat) als auch auf positiv bewerteter, finanzieller Machbarkeit eines festgestellten, jugendhilfeplanerischen Bedarfs. Aufgabe des öffentlichen Trägers (und politischer Entscheidungsträger*innen) ist es, die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen und sich für dessen Umsetzung und Einhaltung einzusetzen.


3. Kinder- und Jugendhilfe ist Pflichtaufgabe!
SGB VIII verpflichtet die Kinder- und Jugendhilfe, die in §1 formulierten Rechte junger Menschen umzusetzen. Alle Leistungen des SGB VIII und somit auch die Leistungen nach §11-14 und §16 sind Pflichtleistungen. „Freiwillige Leistungen“ oder individuelle,
subjektiv-rechtliche Ansprüche in der Kinder- und Jugendhilfe, wie im Bereich HzE, gibt es im SGB VIII nicht. Vielmehr haben öffentliche Träger laut Jugendhilferecht eine objektiv-rechtliche Gewährleistungsverpflichtung. Sie sind somit verpflichtet alle
Angebote der Kinder- und Jugendhilfe entsprechend dem festgestellten Bedarf zur Verfügung zu stellen. Es ist daher Pflichtaufgabe kommunaler Verwaltungen sich für die Gewährleistung aller Infrastrukturangebote der Kinder- und Jugendförderung
einzusetzen!

4. Einhaltung Fachkräftegebot freie und öffentliche Träger!
Konstruktive, fachliche Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen in die Arbeits- und Handlungsweisen basieren auf einem gemeinsamen Verständnis von Kinder- und Jugendhilfe sowie dessen Bedeutung für die Gesellschaft. Die in §72 SGB VIII formulierte
persönliche wie auch qualitative Eignung der zu beschäftigenden Personen, gilt für freie und öffentliche Träger. Im Sinne der Trägerautonomie braucht es ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, dass Maßnahmen zur Einhaltung der fachlichen Eignung der
Beschäftigten sowohl vom öffentlichen als auch vom freien Träger ergriffen und sichergestellt werden. Die Einhaltung des Fachkräftegebots (Qualifikation, Berufserfahrung und vergleichbare qualitative Merkmale) obliegt den Trägern und dessen Pflicht zur
Einhaltung des SGB VIII.

Wir fordern eine Rückkehr zu einer verlässlichen, vertrauensvollen und wertschätzenden Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Kinder- und Jugendhilfe, die ein gemeinsames Ziel verfolgt: Einsatz und Wille, die Aufwachs- und Lebensbedingungen sowie (Zukunfts-)Perspektiven von jungen Menschen in Sachsen zu fördern und zu sichern.



Chemnitz, 17.01.2023



Kindervereinigung Sachsen e.V.
Landesgeschäftsstelle
Ludwigstraße 42a
09113 Chemnitz
0371 – 40 27 855
sachsen@kindervereinigung.de

Die KINDERVEREINIGUNG Sachsen e.V. wird gefördert vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales
und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

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